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Geräuschemissionen auf Baustellen und wie sie zu vermeiden sind

27.08.2019

Hör mal, wer da hämmert

27.08.2019

Baustellen sind selten eine Ruhe-Oase – viele Anwohner stört deren Lärm. Hersteller von Baumaschinen arbeiten deswegen intensiv daran, die Geräte leiser zu machen, zumal Kommunen immer stärker dem Lärm in den Innenstädten den Kampf ansagen. Wir sprachen mit Dr. Patrick Kurtz, akustischer Berater zur Geräuschemission von Maschinen und Lehrbeauftragter für die technische Akustik an der FH Dortmund, über Baustellenlärm und wie Baumaschinen zu weniger Geräuschemissionen beitragen können. Er arbeitete bereits in verschiedenen Normenausschüssen und Regel setzenden Gremien und Arbeitsgruppen auf nationaler und internationaler Ebene mit. Der Wissenschaftler war Mitglied des Advisory Panel von CEN TC 211 Acoustics und der ISO TC 43 SC1 WG 28, welche die Basisnormen zur Geräuschemissionsmessung an Maschinen erstellt.

Baublatt: 110 Dezibel laut kann ein Rockkonzert werden. Warum nehmen das viele Menschen gerne in Kauf, aber reagieren hypersensibel auf Baulärm?

Dr. Patrick Kurtz: Ob Geräusche als angenehm oder unangenehm empfunden werden, liegt im Ohr des Betrachters: Für den Fan ist laute Rockmusik erwünscht und damit angenehm. Nicht- Rockfans sehen das natürlich anders und nehmen diese Musik als Lärm wahr. Baulärm ist in der Regel unerwünscht, mit Ausnahme derer, die am Baufortschritt ein Interesse haben. Entsprechend sensibel reagieren die Menschen auf Baulärm, vor allem, wenn er zu unerwünschten Tages- und Nachtzeiten stattfindet.

Baublatt: Ab wie viel Dezibel ist Baustellenlärm eigentlich störend und der Lärm einer Baumaschine unzumutbar?

Dr. Patrick Kurtz: Da Lärm – und damit auch Baustellenlärm – meist unerwünscht ist und als störend empfunden wird, ist die Höhe des Schalldruckpegels zunächst irrelevant. Zwar steigt die störende beziehungsweise belastende Wirkung mit der Höhe der Lautstärke, jedoch gibt es für die Zumutbarkeit eines Geräusches mehrere zu beachtende Aspekte: Einerseits wissenschaftlich erwiesene, gesundheitsgefährdende Schalldruckpegel, die oft niedriger liegen, als man erwarten würde. Negative psychische und physiologische Reaktionen treten bei Betroffenen schon bei relativ niedrigen Schalldruckpegeln auf. Andererseits gibt es aber auch einen gesellschaftlichen Konsens, der dann üblicherweise in die Gesetzgebung einfließt, beispielsweise für Umgebungslärm in Wohngebieten. Für Maschinen, gerade Baumaschinen, gelten europäische Richtlinien, die eine eindeutige Aussage haben: Die Geräuschemission sollte so niedrig sein, wie technisch und wirtschaftlich vertretbar und machbar.

Baublatt: Gibt es Baustellengeräusche, die besonders negativ auffallen?

Dr. Patrick Kurtz: Alles, was irgendwie von der Norm abweicht, stört. Eine besondere Rolle spielt die zeitliche und frequenzmäßige Struktur des Geräuschs: Gleichmäßige und breitbandige Geräusche wie ein Rauschen stören weniger als Schallimpulse beziehungsweise tonale Geräusche, also beispielsweise das Aufschlagknallen von Hämmern oder der Warnton des zurücksetzenden Lkw. Auch besonders laute Geräusche werden in der Regel als belastend empfunden – insbesondere, wenn sie aus Sicht des Betroffenen vermeidbar sind.

Baublatt: Was genau gilt eigentlich als Lärm einer Baumaschine? Gibt es Tätigkeiten einer Baumaschine, die besonders laut sind?

Dr. Patrick Kurtz: Wie bei allen Maschinen gibt es einen Unterschied zwischen dem reinen Maschinengeräusch, dem Prozessgeräusch und gegebenenfalls der Schallabstrahlung des bearbeiteten oder bewegten Werkstücks. Die beiden letzten Anteile am Gesamtgeräusch sind nur schwer zu beeinflussen, denn das Zerkleinern durch einen Presslufthammer kann man beispielsweise kaum leiser machen. Das Maschinengeräusch besteht wiederum aus der Summe der Geräusche der verschiedenen Maschinenkomponenten wie Antriebsmotoren, Getriebe und Pumpen. Diese Geräuschemission lässt sich durch die Beachtung maschinenakustischer Grundregeln bei der Konstruktion signifikant senken. Allerdings kann dann immer noch das Prozessgeräusch als störend empfunden werden.

Baublatt: Abbruchunternehmen setzen beispielsweise inzwischen statt Hammer oder Meißel vielfach Pulverisierer, Greifer und Scheren ein, um Geräuschemissionen zu senken. Welche technischen Möglichkeiten haben Firmen heute, um auftretende Geräuschemissionen zu reduzieren?

Dr. Patrick Kurtz: Physikalisch sind kurzzeitige Beschleunigungsvorgänge, insbesondere ruckartige Arbeitsverfahren, zu vermeiden, weil dann sehr breitbandige, hohe Schalldruckpegel erzeugt werden. Das gilt beispielsweise für das Schlagrammen zum Treiben von Rammkörpern aus Stahl oder Beton in die Erde. Dieses Verfahren kann unter bestimmten Voraussetzungen durch das hydraulische Drücken (pile-driver-Verfahren) ersetzt werden, womit die Geräuscherzeugung erheblich sinkt.

Baublatt: Was beeinflusst das Empfinden, wie laut eine Baumaschine arbeitet?

Dr. Patrick Kurtz: Die Wahrnehmung eines Geräusches wird von zwei Faktoren bestimmt: Einmal durch die Höhe des Schallpegels und der Struktur des Geräusches, also die Frequenzzusammensetzung, der zeitliche Verlauf sowie die gleichmäßige oder impulsartige Abgabe des Geräuschs. Und zum anderen durch die individuelle Einstellung zum Geräuscherzeuger. Es gibt durchaus Fans von Baumaschinen, die von der Technik so beeindruckt sind, dass sie das Geräusch kaum stört.

Baublatt: Nimmt unsere Wahrnehmung, wie stark wir Lärm als störend empfinden, mit dem Alter eher zu oder ab?
Dr. Patrick Kurtz: Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass das Ruhebedürfnis mit dem Alter steigt und unerwünschte Geräusche daher eher als störender wahrgenommen werden.

Baublatt: Dem Lärm einer Baumaschine sind auch Fahrer ausgesetzt, wenn die Geräusche in die Kabine dringen. Wie können sie davor besser geschützt werden?


Dr. Patrick Kurtz: Fahrer einer Baumaschine sind Arbeitnehmer. Diese werden durch die Regelungen der LärmVibrationsArbSchV geschützt, auf deren Umsetzung der Unternehmer zu achten hat. Darin ist ein Grenzwert für die Lärmexposition definiert, der niemals überschritten werden darf. Zudem wurden zwei „Auslösewerte“ festgelegt, deren Überschreitung die Durchführung bestimmter Maßnahmen wie die Unterweisung bezüglich möglicher Gesundheitsgefährdungen, eine arbeitsmedizinische Gehörvorsorge durch den Arbeitgeber oder sogar ein Lärmminderungsprogramm erfordern. Schutzmaßnahmen für den Bauarbeiter sind technische, organisatorische und persönliche Maßnahmen, wobei die technischen Maßnahmen am Anfang stehen, also beispielsweise leisere Baumaschinen, besser abgedichtete Führerkabinen, kürzere Aufenthaltszeiten in lauter Umgebung. Persönliche Schutzmaßnahmen wie Gehörschutz stehen damit am Ende, da sie weniger effektiv sind.

Baublatt: Akustische Warnanlagen, wie zum Beispiel Rückfahrwarner von Radladern, werden von Anwohnern immer wieder als störend empfunden. Haben Betreiber von Baumaschinen überhaupt eine Alternative, wenn sie den Arbeitsschutz ihrer Beschäftigten (gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz sowie § 3 Betriebssicherheitsverordnung) einhalten müssen?

Dr. Patrick Kurtz: Klare Antwort: Ja! Hersteller von Baumaschinen sind zwar gesetzlich verpflichtet eine Risikoanalyse durchzuführen und alle Erdbaumaschinen, bei denen die Sicht eingeschränkt ist, serienmäßig mit Rückraumüberwachungssystemen auszurüsten. Denn vom Bedienungsstand aus muss sich das Bedienungspersonal der Baumaschine vergewissern können, dass sich keine Personen oder Hindernisse im Gefahrenbereich aufhalten oder befinden. Das ist aber nicht automatisch mit den bekannten „Piepsern“ gleichzusetzen – auch Spiegel oder Erkennungssysteme auf der Basis von Ultraschall, Infrarot, Radar, Funk und Laserscanner sind hierfür geeignet. Außerdem wären Kamerasysteme für das Rückwärtsfahren und die Front- und Seitenbereichsüberwachung sowie 360-Grad-Rundumsicht-Kamerasysteme mit rechnergesteuerter Personen- und Objekterkennung geeignete Alternativen. Die akustischen Rückfahrwarner sind nur die vermeintlich einfachste und meist preislich günstigste „Lösung“ der gesetzlichen Vorgaben, aber leider nicht absolut sicher.

Baublatt: Lärmschwerhörigkeit ist nach wie vor die zweithäufigste anerkannte Berufskrankheit in der Bauwirtschaft. Warum sieht man immer noch Bauarbeiter, die ohne Gehörschutz mit Rüttelstampfer oder Meißel arbeiten und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen?

Dr. Patrick Kurtz: Die Verwendung von Gehörschutz stört meist die sprachliche Kommunikation, das Hören von wichtigen Geräuschen, wie beispielsweise herannahenden Baumaschinen, und die Wahrnehmung von Warnsignalen. Zudem ist Gehörschutz gerade bei hohen Außentemperaturen meist unbequem. Daher verzichten viele Bauarbeiter darauf – nicht zuletzt, weil teilweise auch eine ausreichende Aufklärung über das Risiko, einen Gehörschaden zu erleiden, einfach nicht stattfindet.

Baublatt: Welche Schäden ruft Lärm konkret bei einem Menschen hervor? Welche Auswirkungen haben Gehörschäden?

Dr. Patrick Kurtz: Neben Einschränkungen des Hörvermögens leiden viele Betroffene auch noch unter Tinnitus, der bekanntlich häufig zu einer sehr starken psychischen Belastung führt. Beides zieht oft eine soziale Isolation nach sich, denn wer nicht gut hört, nimmt kaum noch an Gesprächen teil. Hinzu kommt eine erhöhte Unfallgefährdung durch die Schwierigkeit, sich sicher in einer lauten Umgebung (zum Beispiel Verkehr in der Stadt) zu bewegen. Darüber hinaus zeigen Studien zu Verkehrsgeräuschen einen Anstieg von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen. Inwieweit sich das auf Baulärm übertragen lässt, ist bisher noch nicht untersucht, aufgrund ähnlicher Verhältnisse ist es aber naheliegend, dass auch Bauarbeiter und Betroffene in der Umgebung mittel- bis langfristig betroffen sein könnten.

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Dr. Patrick Kurtz

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